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Eine Ode auf Buchhandlungen

Ein Gruß an die Ladenbesitzer in einem für die deutsche Buch- und Verlagsbranche ungewöhnlichen Oktober

Eine Ode auf Buchhandlungen

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Normalerweise kommen jedes Jahr in den frühen Herbsttagen des Oktobers Verleger, Autoren und Publikum nach Frankfurt, um an der größten Buchmesse der Welt teilzunehmen. Seit Jahrzehnten werden auf der Frankfurter Buchmesse Geschichten und Anekdoten erzählt, eine Feier der Literatur in physischer Form. 300.000 Menschen strömen dann in die Mammuthallen und den experimentellen Veranstaltungsparcours, der in der ganzen Stadt stattfand. Die diesjährige Ausgabe der Messe findet digital statt und brachte in einem virtuellen Experiment über 4.300 Aussteller aus 102 Ländern zusammen.

Seit Ausbruch der Pandemie suchen Buchhandlungen und Literaturfans in ganz Deutschland nach innovativen Lösungen, um mit der veränderten Lage umzugehen. Von in Schaufenstern präsentierten Buchpaketen, die zur Auslieferung bereit standen, bis zu den grenzenlosen Möglichkeiten des Geschichtenerzählens auf digitalen Kanälen, sah sich auch die Buchbranche gezwungen, kreativ zu werden, um trotz der Kontakteinschränkungen weiterhin mit so vielen Menschen wie möglich im Austausch zu bleiben. Neue Modelle wurden eingeführt, um die Aufmerksamkeit junger Leser zu fesseln und auch diejenigen zu erreichen, die jede Woche einen neuen Autorenroman lesen.

Mit einem Blick in drei deutsche Buchhandlungen aus Do You Read Me? feiern wir das Lesen und die Menschen, die ihre Türen weiterhin für die Allgemeinheit geöffnet halten.

 

Eine Ode auf Buchhandlungen

Die beliebte Buchhandlung liegt etwas versteckt in einer Nebenstraße hinter dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz. (Foto: Katja Eydel, Do You Read Me?) 

Pro qm, Berlin

"The Revolution will be in print": Für eine faire Zukunft setzt dieser Buchladen auf die gebündelte Kraft von Kunst, Kultur und Politik.

"Das legendärste Event war definitiv eine Performance des schottischen Ausnahmetänzers Michael Clark, der gemeinsam mit Mark E. Smith, dem Sänger der britischen Post-Punk-Band The Fall bei uns auftrat."

Ja, die Rede ist von einem Buchladen. Allerdings von einem Berliner Buchladen. Seit 1999 mischt Pro qm in der Kunst- und Kulturszene der deutschen Hauptstadt mit, gibt Denkanstöße, veranstaltet Diskussionsrunden und verkauft die passenden Publikationen dazu. „Unser Laden hat sich aus theoretischen Debatten über Stadtpolitik und alternative Orte für Kulturproduktionen zu einem physischen Ort entwickelt, an dem diese Themen mit einer breiteren Öffentlichkeit behandelt werden können“, erzählt Katja Reichard, die Pro qm gemeinsam mit Jesko Fezer und Axel John Wieder in einem heute Siebenköpfigen Team leitet. Den finalen Anstoß zur Eröffnung hat–wie könnte es anders sein–ein Buch gegeben.

If You Lived Here: The City in Art, Theory, and Social Activism erschien begleitend zu einer Reihe von Veranstaltungen und Ausstellungen, die 1989 von der Künstlerin Martha Rosler in New York organisiert wurde. „Die Publikation bringt Künstler, Aktivisten, Planer, Wissenschaftler, Anwohner und Nachbarn zusammen und dokumentiert die fatale Wohnungsmarktsituation im New York in den späten 1980er-Jahren. Gleichzeitig zeigt das Buch eine große Bandbreite an Strategien, um dem entgegenzusteuern.“ Mit seinem Kernthema Stadt und Schnittstellen zu Politik, Popkultur, Wirtschaft, Architektur, Design, Sound und Kunst knüpft Pro qm direkt daran an. Ganz schön viel Revolution pro Quadratmeter!

 

Eine Ode auf Buchhandlungen

Das wechselnde Sortiment von Mundo Azul ist so bunt und vielfältig wie die Sprachen der Welt. Die Buchhandlung startete als familiärer Treffpunkt. Heute finden hier unter anderem beliebte Workshops statt. (Foto: Sonja Danowski, Do You Read Me?)

Mundo Azul, Berlin

Mit Büchern in Originalsprache und grenzübergreifenden Kulturprojekten lädt dieser Kinderbuchladen zu einer bunten Reise um die Welt ein.

Der Name des Berliner Kinderbuchladens Mundo Azul ist Programm: Von portugiesischen bis koreanischen Titeln steht hier die ganze Welt zum Erkunden im Regal–in Originalsprache. „Ich erinnere mich gut an einen typischen Ladentag letzten Winter“, erzählt die argentinische Eigentümerin Mariela Nagle. „Ein Deutscher, eine Amerikanerin, zwei Kundinnen aus Saudi-Arabien und ein französischer Illustrator kamen beim Stöbern miteinander ins Gespräch. Es war herrlich, Bücher sind wunderbare Vermittler."

2007 begann Mundo Azul als Treffpunkt für spanische und deutsche Familien. Heute veranstaltet der kleine Laden interkulturelle Workshops, berät Festivals und unterstützt Bibliotheken und Universitäten. „Den britischen Autor Roald Dahl und den französischen Schriftsteller und Illustrator Tomi Ungerer könnte ich jeden Tag lesen“, erzählt die Eigentümerin. „Deutsche Kinderbuchautoren empfinde ich dagegen oft als zu pädagogisch motiviert. Zu meinen Lieblingsaufgaben gehört es deswegen zu zeigen, dass Kinderbücher viel mehr sein können als nur Lernen: Spaß, Kunst und – nicht zuletzt – Literatur.“

 

Eine Ode auf Buchhandlungen

Eine Ode auf Buchhandlungen

 Peter Kolling und sein Team rücken regelmäßig mit dem Proust-Mobil zu weniger mobilen Kunden aus. Hinter der bodentiefen Glasfassade von Proust Wörter + Töne warten Literatur, Musik, Events und Nachhaltigkeit.(Fotos: Proust Wörter + Töne und Knut Vahlensieck (oben), Do You Read Me?)

Proust Wörter + Töne, Essen

Im Laden und per Literaturexpress hilft dieser plastikfreie Buchladen gern auf der Suche nach einem bewegenden Buch.

Proust Wörter + Töne gehört zum festen Kulturkern des Ruhrgebiets. „albjährlich stellen wir ein neues Sortiment aus Büchern zusammen, deren Themen uns bewegen“, sagen Peter Kolling und Beate Scherzer, die den unabhängigen Buchladen in Essen seit 2005 führen.

„Bücher aus unabhängigen Verlagen, die von außen einen frischen Blick auf uns richten oder uns den Umgang mit literarischer Vielfalt und unangepassten Zeitdiagnosen zumuten.“ Diese eigentlich ziemlich wunderbaren Zumutungen versüßen selbstgebackene Kuchenkreationen vom benachbarten Café Livres und eine feine Musikabteilung. Auf die Frage „Hast Du Töne?“ antwortet Proust Wörter + Töne mit Klassik und Jazz.

Den Durst nach noch mehr Kultur löscht das Team mit Veranstaltungen, auf denen auch schon mal bedeutende Schriftsteller wie T. C. Boyle oder Herta Müller mitdiskutieren. Zusätzlich wird die Buchhandlung bewusst plastikfrei gehalten. Das Team gibt nur Papier- und Stofftaschen heraus und fordert Verlage aktiv auf, auf das Einschweißen von Büchern zu verzichten. Und damit nicht genug: Es gibt auch einen kostenlosen Lieferservice per Fahrrad oder Proust-Mobil. „Für Menschen, die den Laden aus den verschiedensten Gründen nicht besuchen können und die wir als Kunden gewinnen oder als Stammkunden nicht verlieren wollen, nur weil sie nicht mehr so mobil sind, wie sie es noch gern wären!“ Zweimal pro Woche fährt das Team aus und beglückt Menschen mit schönen Büchern, gutem Wein und oftmals einem persönlichen Gespräch am Wohnzimmertisch. „Ein Gewinn für uns alle!“, freuen sich Kolling und Scherzer.

Die wiederholte Auszeichnung vom Deutschen Buchhandlungspreis gibt ihnen recht. Denn, wie auch der langjährige Verleger Klaus Wagenbach weiß: „Nur in einer Buchhandlung wie Proust finden Sie Bücher, die Sie nicht gesucht haben."

Buchhandlungen sind nicht allein Orte, an denen Bücher verkauft werden. Mehr Informationen über Do You Read Me?


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