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Stadt Gärten: Die neue Begeisterung für Urban Farming

Die vielschichtige Welt urbaner Landwirtschaft

Stadt Gärten: Die neue Begeisterung für Urban Farming

"Obwohl Landwirtschaft in der Stadt an sich nicht neu ist, war sie bis vor rund zehn Jahren noch eher eine Randerscheinung. Heute entwickeln sich überall in den Städten neue Projekte", erklärt die Fotografin Valery Rizzo von Stadt Gärten. Da die Auswirkungen des Klimawandels immer präsenter werden und der Erhalt der Artenvielfalt zunehmend auf der Agenda der Stadtbewohner steht, ist es für Rizzo kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen der Bewegung mit Begeisterung anschließen. Journalistin Mónica R. Goya und Valery Rizzo, erforschen gemeinsam als kreatives Duo den Kampf um Ernährungssouveränität. Die Menschen in der Stadt sehnen sich nach Natur und kulturell vielfältigen Lebensmitteln, umso so mehr seit dem Beginn der Pandemie. Wir sprechen mit den beiden über diese Entwicklung und darüber, wie sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen in ein Buch verwandelt haben.

Die Veröffentlichung von Stadt Gärten kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, da gerade überall auf der Welt neue Bewegungen entstehen.

Goya: Was sich meiner Meinung nach verändert hat, ist das wachsende Interesse daran, wie Lebensmittel produziert werden und wie diejenigen, die diese für uns herstellen, behandelt werden. Außerdem denke ich, dass sich immer mehr Menschen Gedanken über die Ungleichheit unserer Lebensmittelversorgung machen, etwa wieso in bestimmten Gegenden – vor allem in den USA – der Zugang zu gesunden, frischen Lebensmitteln extrem eingeschränkt ist. Die Menschen scheinen generell ein höheres Umweltbewusstsein zu haben. Schaut man sich zum Beispiel die Statistiken an, ist der Marktanteil von Bio-Lebensmittel in Großbritannien seit der Rezession 2007 stetig gewachsen, allein 2019 um über 4%. Darüber hinaus denke ich, dass der Anbau von Lebensmitteln in der Stadt für viele Bewohner eine Möglichkeit ist, sich mit der Natur zu verbinden und sie merken, dass es ihnen sowohl emotional als auch körperlich gut tut.

 

Stadt Gärten: Die neue Begeisterung für Urban Farming

Auf den Dächern von drei Industriegebäuden in New York haben die Pioniere von Brooklyn Grange revolutionäre Dachgartenmodelle entwickelt. Die Fotografin Valery Rizzo hat für dieses Buch viele der in Amerika ansässigen Gärten besucht, darunter auch dieser. (Foto: Valery Rizzo, Stadt Gärten)

In der Einleitung schreibt ihr: „Auch wenn es die Betonwüsten moderner Metropolen nicht unbedingt vermuten lassen, stecken sie voller Leben. Oft nehmen Kinder in einer Stadt sogar zum ersten Mal Kontakt zur Natur auf.” Junge Menschen in der Stadt schon früh mit dem Anbau von Lebensmitteln in Berührung zu bringen, welchen Einfluss hat das sowohl auf die Menschen selbst als auch auf unseren Planeten?

Rizzo: Kindern etwas über urbane Landwirtschaft zu vermitteln, darüber, wo ihr Essen herkommt und wie es angebaut wird, wirkt sich zum einen auf ihre körperliche und geistige Gesundheit aus und ist zum anderen wichtig für ihre Zukunft. Ich bin mir sicher, dass diese Erfahrungen einen Einfluss darauf haben, wie sie sich als Menschen entwickeln werden. Es wird sie ermutigen, in Zukunft besser mit unserem Planeten umzugehen und sich mit ihrer Ernährung auseinanderzusetzen. Vielleicht entscheiden sie sich sogar für einen Beruf in der Landwirtschaft oder Wissenschaft und beeinflussen damit auch andere Menschen in ihrer Familie.

Goya: Mich macht es glücklich zu sehen, wie stark sich die jüngere Generation für einen nachhaltigen Wandel in unserer Welt einsetzt und es ihr gelingt, sich Gehör zu verschaffen. Sie organisieren sich gemeinsam, um wirklich etwas in der Welt zu verändern. Ich hoffe sehr, dass ihre Bemühungen zu weiteren Fortschritten in der weltweiten Umweltpolitik führen werden. Außerdem war ich sehr beeindruckt von Meredith Hill (eine, der im Buch vorgestellten Aktivistinnen) und ihrem Ansatz. Das erste Mal war ich es, als ich ihre Geschichte recherchiert habe, um mich auf das Interview vorzubereiten und später im Gespräch selbst. Ich konnte nicht anders, als mir zu wünschen, eine Lehrerin wie sie gehabt zu haben!

Im Buch fragt ihr auch: "Warum sollten unsere Städte nicht zu Wildtierkorridoren und Retterinnen von Tier- und Pflanzenarten werden?” Wenn städtische Räume 15-20% der weltweiten Nahrungsversorgung decken würden, welche Veränderungen würde das für die kommende Generation mit sich bringen?

Goya: Vielleicht liegt es auch am Lockdown, aber ich habe den Eindruck, dass sich die Stadtbewohner generell nach mehr Grünflächen sehnen. Auch wenn man sich die steigende Nachfrage nach Kleingärten in Städten wie London oder Berlin ansieht, scheinen die Menschen Lust zu haben, sich zu engagieren und sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Außerdem schließen sich immer mehr Menschen zusammen, um sich für ein faireres Lebensmittelsystem einzusetzen und den Zugang zu gesunden regionalen Lebensmitteln zu verbessern. Hinzu kommt der Boom neuer Urban Farming Startups auf der ganzen Welt. Aus all diesen Gründen werden die lokalen Behörden hoffentlich hart daran arbeiten, die Anliegen der Menschen aufzugreifen und dabei die Städte zu gesünderen und lebenswerteren Orten machen. Wenn ich mir die erstaunliche Entwicklung der urbanen Landwirtschaft in einer so dicht besiedelten Stadt wie Paris anschaue (insbesondere durch das Programm Parisculteurs, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die urbane Landwirtschaft zu fördern, indem es ungenutzte städtische Flächen ausfindig macht, auf denen potenziell Lebensmittel angebaut werden können. Sie stellen dann Partnerschaften zwischen Landbesitzern, Landwirten und Gärtnern her, um genau das zu verwirklichen), wüsste ich nicht, warum andere Städte nicht einen ähnlichen Ansatz verfolgen sollten.

 

Stadt Gärten: Die neue Begeisterung für Urban Farming

In New Yorks Edgemere Farm in Far Rockaways zeigt der Gärtner “Lighty”, Valery Rizzo die Farm. (Foto: Valery Rizzo, Urban Farmers)

Wie habt ihr die urbanen Farmen für das Buch ausgewählt? Welche Einblicke gibt eure Auswahl in das gegenwärtige Leben moderner Landwirte und Landwirtinnen und ihre Gärten?

Rizzo: Bei der Auswahl der Farmen und landwirtschaftlichen Projekte (denn es sind nicht nur Farmen dabei, sondern auch Weinanbau, einige Waldgärten, Imkereien, Gemeinschaftsgärten usw.) suchte ich nach einzigartigen Orten, sei es die Anbaumethoden, die Nutzpflanzen, auf die sie sich spezialisiert hatten, ihre Standorte oder Gründe an diesen Orten Landwirtschaft zu betreiben. Bei einigen der Projekte handelte es sich um Menschen und Orte, die ich bereits kennenlernen durfte und fotografiert habe, während andere auch für mich neue Entdeckungen waren. Ich wollte die reiche Vielfalt der Menschen zeigen, die in verschiedenen Teilen auf der Welt in urbaner Umgebung Lebensmittel anbauen und dies aus unterschiedlichsten Gründen tun.

Die Bilder zeigen auf beeindruckende Weise die Vielfalt und Kreativität der Gärtnerinnen und Gärtner. Gab es Geschichten oder Gärten, die euch besonders berührt haben? Oder Einblicke hinter die Kulissen, die es nicht in das Buch geschafft haben?

Rizzo: Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich die Edgemere Farm in Far Rockaways fotografiert habe. Es war das erste Mal, dass ich eine Callaloo probieren durfte. Ich hatte sie schon einmal gesehen, als ich bei der East New York Farm Fotos machte. Ein jamaikanischer Gärtner namens Lightbourne, bekannt als “Lighty”, zeigte mir genau, wie man sie mit Zwiebeln und Tomaten anbrät. Er bereitete für mich ein paar frisch geerntete Stängel Callaloo vor, schnitt sie in Stücke und verpackte sie fertig für die Zubereitung zu Hause in eine braune Papiertüte. Dazu gab er mir eine Flasche gerade frisch zubereiteten Sauerampfer-Drink mit Ingwer und Hibiskus aus dem Garten mit. Das Getränk war unglaublich lecker und machte mir einfach gute Laune. Was ich auch toll fand, als eine Frau aus der Nachbarschaft mit einem Korb vorbeikam und nach frischen Eiern aus dem Hühnerstall fragte und das Schild auf dem stand: “Wir haben frischen Rucola und Blattsalat im Kühlschrank, frag einfach nach.” Ich war auch beeindruckt von der Landwirtin Lindsay Allen vom Higher Ground Hof am Boston Medical Center und ihrer Initiative, Menschen mit Nahrung zu versorgen. Der Standort des Hofs wurde so gewählt, dass die Patienten des Krankenhauses in den Garten des Hofes schauen können. In eigener Mission hat Lindsay einen "Garden & Seed, Give & Take" vor ihrem Haus in Sommerville, Massachusetts, ins Leben gerufen, der die Menschen in der Gemeinde dazu ermutigen soll, ihre Lebensmittel selbst anzubauen. Es war wunderschön zu sehen, was für einen beeindruckenden Ort sie mit ihrem Gemüsegarten geschaffen hat, den sie sich gemeinsam mit ihren Mitbewohnern teilt.

 

Stadt Gärten: Die neue Begeisterung für Urban Farming

Adam DeMartino (links) und Andrew Carter (rechts) sind die Mitbegründer von Smallhold, hier sieht man sie in ihrem Labor stehen, ihre Ernte in den Händen haltend. (Foto: Valery Rizzo, Urban Farmers)

Die Technologie verändert die urbane Landwirtschaft in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Wart ihr beim Fotografieren oder Recherchieren einiger urbaner Farmen manchmal überrascht von der Raffinesse der dort eingesetzten Technik?

Rizzo: Ich habe ein schönes Porträt der Smallhold-Gründer, das es nicht das Buch geschafft hat, auf dem sie ihre Pilze in der Hand halten. Sowie eine Aufnahme eines Getreidesalats mit frischgeernteten blauen Austernpilzen von einer ihrer Mini-Farmen, den ich gleich nach dem Foto essen durfte. Die kleinen automatisierten Mini-Farmen, die in Restaurants, Hotels und Lebensmittelgeschäften installiert sind, finde ich ziemlich beeindruckend und haben von ihrem Design und ihrer Technologie manchmal etwas Futuristisches. Sie verwenden eine selbst entwickelte Hard- und Software Technologie namens farmLine. Dieses System ermöglicht es, alle Geräte zu automatisieren und mit nur einem Server zu verbinden, sodass sie überall von jedem Laptop aus auf sie zugreifen können. Es war das erste Mal, dass ich die Pilzernte einer Mini-Farm fotografiert habe. Die Pilze landeten direkt vom Beet des kontrollierten Ökosystems auf den Teller. Die Farm war über der Bar des The Standard Hotels, Café Standard installiert, wo die Pilze dann sofort in die Küche gebracht wurden, um für ein Gericht auf der Mittagskarte des Cafés zubereitet zu werden. InFarm in Deutschland macht etwas Ähnliches, hat aber seine eigene patentierte Technologie, mit der sie Salate und Kräuter in etwas größerem Maßstab in Hydroponik kultiviert. Diese vertikalen Indoor-Farming-Systeme finden ihren Platz in Supermärkten und sollen in Zukunft weltweit etabliert werden.

Goya: Ja! Als Journalistin war ich überrascht, wie schnell sich die Dinge verändern. Ich besuchte Growing Underground in London, um über ihre Geschichte zu schreiben, die zu dem Zeitpunkt schon viele Jahre zurücklag, was für eine seltsame Erfahrung. Während ich das Buch schrieb, war ich auch sehr beeindruckt von Unternehmen wie Smallhold oder Farm One in den USA. Einer der Gründe, warum viele dieser futuristisch anmutenden urbanen Farmen nur schnell wachsenden Pflanzen mit hohem Ertrag wie Gemüse- und Kräuterkeimlinge kultivieren, sind die aktuellen Energiekosten. Das könnte sich bald ändern, wenn diese in Zukunft sinken, wäre es möglich, auch ausgereiftere und eine größere Palette an Pflanzen anzubauen.

 

Stadt Gärten: Die neue Begeisterung für Urban Farming

Bei der urbanen Landwirtschaft geht es genau darum, den Raum zu nutzen, der einem zur Verfügung steht, sei es eine große Fläche auf einem Dach oder eine Fensterbank. Hier ist Imkerin Geraldine Simonis zu sehen, wie sie ihr New Yorker Feuerleitergärtchen mit einer Thai-Basilikum Pflanze bestückt. (Foto: Valery Rizzo, Stadt Gärten)

Wenn man sich das fertige Buch anschaut, kann man nur sagen, dass es eindrucksvoll geschrieben und fotografiert ist. Wie war es für euch an diesem Buch zu arbeiten? Was hofft ihr, dass die Leser daraus mitnehmen können?

Rizzo: Dankeschön! Das Buch während der Pandemie zu schreiben, hatte auf jeden Fall seine Herausforderungen, aber machte das Thema natürlich umso aktueller. Da ich nicht weit reisen konnte, weil der Großteil der Welt im Lockdown war, bin ich dankbar, dass ich dieses Buch zusammen mit dem talentierten Team von gestalten herausbringen durfte. Manche der Aufnahmen in vielen Teilen der Welt sind schon entstanden, bevor ich je daran gedacht hätte, ein Buches zu machen, da ich mich bereits seit Langem mit dem Thema urbane Landwirtschaft auseinandersetze. Ich hatte mich schon sehr darauf gefreut, noch etwas mehr zu reisen, habe aber schnell gemerkt, dass ich mich auf New York beschränken muss. Ich bin jedoch glücklich, dass wir Aufnahmen von verschiedenen Orten auf der Welt von anderen Fotografen, die ich sehr bewundere, veröffentlichen konnten. Ich habe meine gute Freundin und Journalistin Mónica R. Goya als Autorin vorgeschlagen, sie hat es brilliant geschrieben – niemand außer ihr hätte dieses Buch so schreiben können. Ich dachte, es könnte von Vorteil sein, dass Mónica, ursprünglich aus Spanien, in Großbritannien wohnt und auch französisch spricht, während ich selbst in den USA bin. Die Menschen haben sich sehr viel Zeit genommen für die Gespräche und Fotos und ich fand es toll, wie begeistert sie alle waren von der Entstehung des Buches, weil es ihnen zeigt, was überall auf der ganzen Welt für Projekte entstanden sind. Ich hoffe, die Bilder und Texte inspirieren die Leser, geben einen Einblick in die Vielfalt der urbanen Landwirtschaft und rufen eine genauso große Wertschätzung wie bei mir, für all die Menschen, die säen, jäten, Wissen vermitteln und sich für eine gesündere und gerechtere Welt einsetzen, hervor. Vielleicht bestärkt es sogar manche, sich selbst zu engagieren.

Goya: Danke! Aus der Autorenperspektive kann ich sagen, dass es ein absoluter Traum war, mit an diesem Projekt zu arbeiten und dass mit so einem tollen Team. Von Valery, deren Bilder ich schon lange bewundere und die mich mit ins Boot für dieses Projekt geholt hat, bis zu den Lektoren, die uns über den ganzen Prozess hin begleitet haben. Ich interessiere mich schon lange für urbane Landwirtschaft und dieses Buch war eine einmalige Gelegenheit, mir einen umfassenden Überblick zu verschaffen und über mein bisheriges Wissen hinaus neue Facetten des Themas zu entdecken. Die Möglichkeit zu bekommen, so viele verschiedene kluge Köpfe zu interviewen, darunter Gärtner, Aktivisten, Menschen, die sich für Ernährungsrechtigkeit einsetzen und viele andere, die allesamt die Welt ein Stückchen besser machen, war für mich unglaublich inspirierend. Ich bin diesen Menschen sehr dankbar, dass sie sich die Zeit genommen haben für ein Gespräch, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass viele von ihnen 70 Stunden oder mehr in der Woche arbeiten. Ich hoffe, dass die Leser durch unser Buch die urbane Landwirtschaft besser kennenlernen und sehen, wie unglaublich vielfältig sie ist. Außerdem glaube ich, dass wir alle unabhängig davon, wo wir leben, die Möglichkeit haben, etwas zu bewirken. Ich hoffe, dass unsere Arbeit im Buch genau das vermittelt und die Leser dazu inspiriert, sich der urbanen Landwirtschaftsbewegung anzuschließen.

Eine neue Mischung aus Saatgut und Beton sind der unerwartete Nährboden für ein grüneres, gesünderes und nachhaltigeres Leben in der Stadt. Entdeckt diese Bewegung in Stadt Gärten, erhältlich auf Deutsch und Englisch.


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